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Dr. Peter Spielmann – ehemaliger Leiter des Bochumer Museums.

Dr. Ulrich Spielmann

Ein Türke in der Bundesrepublik Deutschland lebt in einer Diaspora. Die Grenzen seines Ghettos bilden auf einer Seite die Ausländerfeindlichkeit, auf der anderen Seite das Unwissen über die kulturelle Tradition des anderen. Für einen bildenden Künstler müssen die Probleme noch schwerer und tiefer sein, denn er kommt aus einer Tradition, die das Bild nicht erlaubt und mit Symbolen und l\/Metaphern die Inhalte vermittelt. Die Sensibilität dafür ist in unserer von der Zivilisation geprägten Welt seit Jahren geschwächt. Die Symbole haben keinen Inhalt mehr und die l\/Metaphern verstehen wir nicht. Der Künstler stellt sich die Aufgabe, Inhalte mitzuteilen und dieses Bedürfnis ist bei ECE noch eindringlicher als bei manchen anderen Europäern. Er fühlt sich nicht nur seiner Diaspora zugehörig, er solidarisiert sich auch mit anderen l\/Minderheiten. Er mochte mit seinen Bildern, Zeichnungen und Graphiken gegen Unterdrückung, Hass und Gewalt angehen. Er will mit seiner Kunst die Liebe und die Freuden des eigentlichen Lebens besingen. Seine Kunst ist figurativ die menschliche Figur, ist Hauptthema und l\/Mittelpunkt seiner Werke. Seine bildnerische Sprache ist eher die Sprache eines Zeichners als die eines Malers. Seine Figuren entstehen aus Linien, die nicht nur die Modellierung eines Körpers darstellen, sondern auch Mittel des Ausdrucks ist.

Seine Linie ist Zart, geschmeidig, aber auch stark und zackig und dient dem Inhalt und dem Ausdruck, als ob seine Bilder und Zeichnungen geschrieben wären. Dieses Geschriebene kann gleichzeitig auch als der Ausdruck der künstlerischen Geste und der körperlichen Bewegung aufgefasst werden. So Überträgt die Linie wie ein Seismograph auch die feinsten Erschütterungen der menschlichen Seele und gibt auch die feinsten Bewegungen des künstlerischen Willens weiter. ln dieser geschrieben-gezeichneten Bewegung verbirgt sich auch ein Element des Ornamentes. Das Ornamentalische entsteht hier aber nicht aus der Abstraktion der Wirklichkeit, sondern aus der Übertragung der Regungen durch die Bewegung. Das ornamentalische Element wirkt hier rhythmisierend wie in einem Lied oder einem Gedicht. Es gibt außer der eingefangenen Realität eine allgemeinere Gültigkeit über das konkrete Ereignis hinaus. Auch dann wenn er mit eingefügten Stempeln oder eingeklebten Resten der Realität in seinen Collagen das konkrete zu dem abstrakten als Gegensatz

einsetzt. Dies bildet nicht nur eine dialektische Einheit im formalen Sinn, so wird auch die Spannung zwischen zwei Kulturtraditionen festgehalten. Es gibt Bilder, die ECE statt auf Leinwand auf Teppich malt. Die ornamentale Unterlage des Teppichs bildet eine wichtige Ebene der Mitteilung. Die Spannung zwischen der abstrahierten Wirklichkeit des Ornamentes und der konkreten Wirklichkeit der Figur bringt noch die Umkehrung: das abstrakte Ornament ist dadurch, dass er die Realität selbst ist (ein Teppich), sehr konkret, dagegen die gemalte Figur durch ihre Linienhaftigkeit sehr abstrakt. So wird diese dialektische Spannung vielschichtig. Sie ist für das ganze künstlerische Engagement ECE’s bezeichnend. Er versucht die Isolation zu überwinden.

Die Isolation im menschlichen Bereich, sowie die der Tradition verschiedener Kulturen. Dass dieses in Beziehung bringen der Menschen zueinander und der Kunst zueinander nicht ohne Spannung und dialektische Gegensatze möglich ist, ist ein Naturgesetz. Wichtig ist dabei, die Dialektik: dass die Gegensätze zu einer Einheit und zu einer gegenseitigen Befruchtung führen. In der Thematik greift ECE oft in die Geschichte des eigenen Volkes, die türkischen Dichter inspirieren ihn, die Lage der eigenen Landsleute in der Diaspora ist oft Thema seiner Bilder, aber dies ist nie in einer Isolation zu begreifen. Wenn er gegen die Gewalt gegenüber seinen Landsleuten protestiert, protestiert er gegen die Gewalt gegenüber allen Minderheiten sogar gegen alle Menschen. Seine Lobeslieder auf die Liebe, auf die Treue, auf die Schönheiten und Freuden der Natur, sind Lobeslieder, die jeder von uns versteht, sogar mitsingen kann. So kann man in den künstlerischen Bemühungen lhsan ECE’s das Sehen, was einer der wichtigsten Aufgaben der Kunst ist: die Grenzen der Ghettos abzubauen, die Menschen miteinander zu verbinden. Diese Aufgable Grenzen zu zerstören, hat noch einen anderen Aspekt. Oft wird den Künstlern, die aus anderen Kulturen zu uns kommen und bei uns leben, das künstlerischen Niveau abgesprochen und die Merkmale unseres etablierten Kulturbetriebes als einziger Maßstab gestellt. Das einzige, was man noch anzuerkennen bereit ist, sind manche Inhalte. So ist es wichtig, dass Künstler anderer kultureller Traditionen auch den Weg in die etablierten Kunstinstitutionen finden.

Dass in den Möglichkeiten des Treffens und des Auseinandersetzens mit verschiedenen Tendenzen eine gegenseitige Befruchtung entsteht. EOE hat durch seine Schulung an einer deutschen Kunstschule vieles von den Methoden des westeuropäischen Kunstbetriebes begriffen. Seine Erfahrungen kennen für beide Seiten eine große Bedeutung haben. Sie zeigen nämlich, dass die Tradition der islamischen Bildwelt und der gegenständlichen Bildwelt der Westeuropäer vereinbar ist; dass man durch die Beziehung und Verbindung eine verständliche Sprache für den heutigen I\/Menschen hier und da finden kann und dass die Solidarität in der Kunst genauso eine wichtige Tendenz ist, wie in anderen Bereichen des menschlichen Lebens.


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